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So wie einst in Paris

 

 

Er sagte, er wolle nur einen Augenblick bleiben und dann haben wir miteinander geschlafen. Es war nicht allzu lange, aber doch mehr als ein Augenblick. Aber es sei schon in Ordnung, versicherte ich ihm. Wir lagen nebeneinander im Bett, nackt, zumindest fast, die Bettdecke lag über unseren Füßen. Wir teilten seine letzte Zigarette und auf meinem Plattenspieler drehte sich die Platte Let it bleed von den Rolling Stones und spuckte, mit Gewalt, aber auch mit Liebe, Midnight rambler aus.

 

Ich kannte ihn als einen, der immer viel zu sagen hatte. Das hatte er auch heute. Er fragte mich, ob ich schon mal in Paris gewesen sei und ich verneinte. Er sagte, er auch nicht, aber dass er unbedingt einmal hinwolle. Wobei es dafür eigentlich zu spät sei, meinte er und nahm seine Zigarettenschachtel in die Hand, nur um festzustellen, dass diese leer war. Man hätte früher dort sein müssen, als man noch die Chance hatte Hemingway und Fitzgerald zu treffen.

 

Mit einem Bier kam ich zurück ins Schlafzimmer, meiner letzten Flasche, noch immer nackt, ich legte mich wieder neben ihn und wir tranken abwechselnd. Das wäre schon stark gewesen, fuhr er fort, Hemingway in Paris zu treffen, oder Fitzgerald. Mit ihnen um die Häuser zu ziehen und wahrscheinlich hätte Hemingway mir irgendwann eine verpasst, meinte er, aber das wäre schon in Ordnung gewesen. Außerdem, fuhr er fort, nahm aber erst noch einen großen Schluck Bier, wie cool wäre das denn, heute sagen zu können, Hemingway hätte einem mal in die Fresse geboxt. Ich meine, Teil der Lost Generation zu sein und so, das wäre doch was.

 

Er habe ja auch mal geschrieben, sagte er dann und ließ mich nicht wirklich zu Wort kommen, aber das war in Ordnung, ich hatte nicht das Bedürfnis viel von mir zu geben. In mir regte sich die Vermutung, dass ich ihm schon zu viel von mir gegeben hatte. Habe er aber schon aufgegeben, meinte er, alles Wichtige sei schon geschrieben worden, mit Worten, die er wahrscheinlich nicht so gut hinbekommen hätte. Ich gab ihm recht.

 

Glaubst du eigentlich an das Land, wo Milch und Honig fließen, fragte er mich und ich wusste nicht, was er damit meinte. Ich weiß nicht, was du damit meinst, sagte ich und er verzog seinen Mund zu einem Lächeln, als habe er einen alten Witz gehört. Macht nichts, sagte er. Manchmal bekomme man nicht immer, was man wolle. Das sei wohl so, stimmte ich ihm zu, und dass das schade sei. Und dann blickten mich seine dunklen Augen an, Augen wie von einem Schwarzen Panther, wie zwei Körperteile, die nicht zu seinem restlichen Körper gehörten. Er sah aus wie ein Spieler, der nachts in dunklen Gassen herumlungerte, der über Gartenmauern sprang und der überall seine Fußspuren hinterließ. Wie jemand, der um Mitternacht umherwanderte, zu den Tönen eines Blues-Songs. Vielleicht nicht immer, sagte er dann.

 

Die Platte war zu Ende und aus den Boxen kam nur noch ein leises Knistern. Als wäre das das geheime Zeichen, sprang er auf und zog sich an. Er grinste mir entgegen während er seine Hose zuknöpfte und ich konnte nicht anders, als ebenfalls zu grinsen. Er hatte ein Gesicht, wie ein kleiner Junge, schelmisch, berechenbar vielleicht auch, auf jeden Fall verschmitzt. Sein schwarzer Mantel legte sich über seine Schultern wie eine zweite Haut und machte ihn zu einem mitternächtlichen Wanderer. Ich blieb weiter im Bett liegen. Er sagte, er wolle nur einen Augenblick vor die Tür gehen und Zigaretten holen. Und ich sagte, er solle doch wenigstens sagen, er gehe neues Bier oder neuen Wein besorgen. In Ordnung, sagte er und ging. Und er kam nicht wieder.

 

 

 

 

 

August 2014

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